
Der Großteil der etablierten Autohersteller hat sich erst spät zu Elektromobilität bekannt, große Stückzahlen planen die meisten zudem erst gegen Ende des Jahrzehnts. Elektroauto-Pioniere wie Renault-Nissan und Tesla sowie zahlreiche auf den Markt drängende Tech-Unternehmen und Automobil-Startups werden von vielen daher bereits als neue Branchenführer betrachtet. In Deutschland vertraut der Großteil der Verbraucher beim möglichen Kauf eines Elektroautos dennoch weiter Automarken wie BMW, Daimler oder Volkswagen.
75 Prozent der deutschen Autokäufer halten traditionelle Autobauer für am vertrauenswürdigsten, nur knapp jeder Vierte nennt neue, auf E-Mobilität spezialisierte Hersteller. Lediglich zwei Prozent würden beim Kauf eines E-Autos IT-Konzernen vertrauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Elektrisch angetriebene Fahrzeuge verkaufen sich bislang nur schleppend, jeder zweite von McKinsey Befragte hat aber beim jüngsten Autokauf ein Elektrofahrzeug in Erwägung gezogen.
„Die Autohersteller stehen vor der Schwierigkeit, in ihrer Strategie die richtige Balance zu finden. Einerseits müssen sie ausreichend Fahrzeuge mit Elektroantrieb verkaufen, um die Flottengrenzwerte für Emissionen einzuhalten. Andererseits mindern die hohen Kosten für die Batterien die Profitabilität von E-Fahrzeugen. Und gleichzeitig müssen Hersteller ihre konventionellen Antriebe verbessern, die gute Gewinne abwerfen“, erklärt McKinsey-Seniorpartner Nicolai Müller.
Batteriepreise seit 2010 um 80 Prozent gefallen
Die Preise für Batterien – die kostspieligste Komponente bei Elektroautos – sind laut McKinsey zwischen 2010 und 2016 um rund 80 Prozent gefallen und liegen für das Gesamtbatteriepack bei aktuell rund 230 US-Dollar pro Kilowattstunde (kWh). Bei einer typischen Akkukapazität von 60 kWh entspreche dies Mehrkosten von knapp 14.000 Dollar gegenüber einem herkömmlichen Auto, da die Kosten für Motor, Getriebe und Tank (bei einem Auto mit Verbrennungsmotor) bzw. für Elektromotor und Steuerungselektronik (E-Fahrzeug) vergleichbar hoch seien.
Der technikbedingte Aufpreis stellt der McKinsey-Umfrage nach für potentielle Käufer das größte Hindernis dar, sich ein Elektroauto zuzulegen. Bei den anderen genannten Hürden wie mangelnde Reichweite und Ladeinfrastruktur zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen E-Auto-Interessierten und tatsächlichen Käufern: Während 24 Prozent der Kaufinteressenten Sorge haben, ein Elektroauto biete zu wenig Reichweite, sind es nur 13 Prozent bei den tatsächlichen Besitzern. Auch bei der Ladeinfrastruktur fällt die Quote von 18 Prozent (Kaufinteressenten) auf 11 Prozent (Besitzer).
„Autohersteller sollten ein großes Augenmerk darauf legen, Vorurteile der Kunden abzubauen und die Vorteile von Elektroautos wie den geringen Verschleiß und die verzögerungsfreie Beschleunigung herausstellen“, schlägt Timo Möller, Automobilexperte von McKinsey, vor. Stromer-Anbieter sollten sich zudem darauf konzentrieren, neue Kundengruppen zu erschließen. „Während sich in der ersten Welle Avantgardisten und relativ wohlhabende Kunden für ein E-Fahrzeug entschieden haben, muss die E-Mobilität nun auch für preissensiblere Kundensegmente interessant werden“, so Müller.
Knapp die Hälfte der Besitzer eines Elektroautos hat laut der McKinsey-Studie ein verfügbares Haushaltseinkommen von 75.000 Euro und mehr, bei den an E-Autos Interessierten sind es nur noch 35 Prozent. Neue Mobilitätskonzepte wie Carsharing und auf App-basierte Taxi- und Transportdienstleistungen stellen der Unternehmensberatung nach einen möglichen Weg dar, um die Mehrkosten der Technologie für Kunden und Hersteller zu minimieren. Für die Analyse wurden mehr als 1000 Autokäufer in Deutschland sowie weitere 6000 Kunden in den USA, China und Norwegen befragt.
Etablierte Elektroauto-Hersteller spät dran, aber mit Vertrauensvorschuss