
Der Unterschied zwischen dem offiziellen und tatsächlichen Kraftstoffverbrauch für neue Pkw in Europa ist höher als jemals zuvor. Das ist das Fazit einer neuen Studie der unabhängigen Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT).
Der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkw liegt der Auswertung zufolge heute durchschnittlich um 42 Prozent höher als der von den Fahrzeugherstellern angegebene Testverbrauch. Auf Autofahrer kommen damit Mehrausgaben für Sprit in Höhe von rund 400 Euro pro Jahr zu. Noch vor zehn Jahren betrug die Differenz zwischen dem von den Herstellern veröffentlichten und dem real gemessenen Verbrauch nur etwa 15 Prozent.
„Wir haben die Daten für etwa 1,1 Millionen Fahrzeuge aus acht europäischen Ländern untersucht und sämtliche Datenquellen bestätigen, dass die Lücke zwischen dem von Herstellern veröffentlichten Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlich vom Kunden festgestellten Verbrauch einen neuen Höchststand erreicht hat”, so ICCT-Forscher und Co-Autor der Studie Uwe Tietge.
Im Jahr der Erstveröffentlichung der ICCT-Studie 2013 lag die Diskrepanz noch bei etwa 25 Prozent. Heute sind es bereits 39 Prozent für neu auf den Markt kommende Privatfahrzeuge und mehr als 45 Prozent für neue Firmenfahrzeuge. Die ICCT-Forscher sehen zwar Anzeichen dafür, dass sich der jährliche Anstieg der Diskrepanz verlangsamt. Vor allem für Firmenfahrzeuge. Es sei allerdings „noch zu früh, um wirklich sagen zu können, ob die Lücke zwischen offiziellen und realen Verbrauchswerten kleiner wird,“ betont Tietge.
Der Untersuchung des ICCT liegen Daten von 14 unterschiedlichen Quellen zugrunde: der Webseiten Spritmonitor.de (Deutschland), honestjohn.co.uk (Großbritannien) und Fiches-Auto.fr (Frankreich), Leasingfirmen wie LeasePlan (Deutschland), Travelcard (Niederlande), Cleaner Car Contracts (Niederlande und Belgien) und Allstar (Großbritannien), Automagazinen wie AUTO BILD (Deutschland), auto motor sport (Deutschland und Schweden), km77.com (Spanien), des Testinstituts Emissions Analytics (Großbritannien), sowie Messdaten des Fahrzeugclubs TCS (Schweiz).
WLTP: Neues Testverfahren gilt ab Ende 2018
Der Kraftstoffverbrauch von Pkw wird unter einheitlichen Bedingungen in Testlabors ermittelt. Seit September 2017 gilt für neue Fahrzeugtypen mit dem Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure (WLTP) ein neues Testverfahren. Zur Pflicht für alle neuen Pkw wird der überarbeitete Normzyklus jedoch erst im September 2018. Bis es soweit ist, gilt weiter der umstrittene Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) – auch für Elektrofahrzeuge.
Das ICCT erwartet, dass der WLTP die realen Fahrbedingungen besser widerspiegelt. Die Forscher gehen von etwa einer Halbierung der Diskrepanz zwischen offiziellen und realen Verbrauchswerten aus, warnen aber: „Gleichzeitig gibt es jedoch auch Schlupflöcher in der neuen Regulierung“. Sie fordern daher weitere Schritte, „um ein erneutes Auseinanderdriften von Labor- und Alltagswerten zu verhindern.“
Zu den vom ICCT empfohlenen Maßnahmen für realistischere Verbrauchsangaben gehören die Einführung von Straßentests für CO2 und Kraftstoffverbrauch unter realen Fahrbedingungen, wie es sie heute schon für Schadstoffemissionen gibt. Darüber hinaus bedarf es „systematischer Nachtests von Serienfahrzeugen durch unabhängige Stellen und eine verbindliche Obergrenze für die erlaubte Abweichung zwischen den Alltagswerten und im WLTP gemessenen Laborwerten.“
Studie: Abweichungen beim Verbrauch neuer Pkw „so groß wie noch nie“