
Auch Daimler will in Zukunft verstärkt auf Elektromobilität setzen, die ersten Elektroauto-Modelle der kürzlich vorgestellten neuen Stromer-Marke EQ werden allerdings erst gegen Ende des Jahrzehnts zu kaufen sein. Wettbewerber wie BMW und Renault-Nissan sowie US-Hersteller Tesla Motors haben damit mehrere Jahre Vorsprung. Daimler-Chef Dieter Zetsche hält die verspätete Elektro-Offensive dennoch für einen Vorteil.
Laut Zetsche sei der richtige Zeitpunkt für eine umfassende Elektrifizierung des Modellangebots entscheidend für die Positionierung als führender Anbieter. „Alle, die zu früh kommen, sind alleine auf der Tanzfläche. Alle, die zu spät kommen, haben das Beste möglicherweise bereits verpasst“, so der Top-Manager zu Automotive News. Im Moment würden Elektrofahrzeuge weniger als ein Prozent der Autoverkäufe in Europa ausmachen. Ein früher Hochlauf der E-Auto-Produktion sei daher nicht zielführend, erklärte der Daimler-Vorstand.
Zetsche glaubt, dass 2025 ein wichtiger Meilenstein für Elektroautos sein wird, da erst zu diesem Zeitpunkt die Kosten von Batterien – die derzeit teuerste Komponente von elektrischen Autos – unter 100 Euro pro Kilowattstunde fallen werden. Dies entspreche etwa einem Drittel der Kosten beim Marktstart der Elektro-Limousine Model S von Tesla 2012. Daimler war mehrere Jahre mit bis zu 10 Prozent an dem US-Elektroautobauer beteiligt, entschied sich später jedoch für den Verkauf seiner Anteile. Der schwäbische Hersteller plant, 2025 zehn eigene reine Elektroautos im Programm zu haben – darunter die demnächst startenden neuen Stromer der Konzerntochter smart.
„Sich auf den Vergleich von Reichweite oder Beschleunigung zu konzentrieren, ist zu kurz gedacht“
Entwicklungschef Thomas Weber betonte im Gespräch mit Automotive News, dass die Elektroauto-Marke EQ als ganzheitliche Lösung für moderne Mobilität konzipiert wurde. „Sich auf den Vergleich von Reichweite oder Beschleunigung zu konzentrieren“ sei demnach „zu kurz gedacht“. Weber ist überzeugt, dass die Elektroautos der nächsten Generation anhand der Qualität ihrer Antriebe, der gebotenen Vernetzung sowie autonomer Fahrfunktionalität und der Einbindung in ein „Mobilitätspaket“ bewertet werden. „Wir wollen in allem der Beste sein“, erklärte der langjährige Daimler-Manager, der Ende des Jahres in Rente geht. So viel Reichweite wie möglich in einen Elektro-Pkw „zu packen“, sei laut Weber „keine Kunst“. Man müsse dafür einfach nur mehr Zellen verwenden.
Das erste Großserien-Elektroauto für die Langstrecke von Mercedes-Benz, das vor wenigen Wochen vorgestellte SUV-Konzept „Generation EQ“, verfügt über einen 70-kWh-Akku. Branchenprimus Tesla Motors bietet für seine Baureihen Model S und Model X bereits heute bis zu 100 kWh Kapazität an. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Batterie sei Weber zufolge allerdings eine Gesamtbetrachtung von Kapazität in kWh, Gewicht und Volumen erforderlich. „Wir gehen von einer durchschnittlichen jährlichen Erhöhung der Zell-Energiedichte von 14 Prozent aus“, so der Daimler-Chefentwickler. „Es findet also alle fünf Jahre eine Verdopplung der Batterie-Kapazität statt, ohne dass das Volumen zunimmt“.
Daimler-Chef über Elektromobilität: Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend