
Von den insgesamt 48 Millionen in Deutschland zugelassenen PKW und leichten Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen werden 98,4 Prozent (47,3 Millionen Fahrzeuge) konventionell (Benzin, Diesel) angetrieben. Nur bescheidene 0,16 Prozent (77.000 Fahrzeuge) fahren rein elektrisch oder sind Plug-in-Hybridautos. Der Rest (1,44 Prozent bzw. 685.000 Fahrzeuge) verteilt sich auf hybrid- und gasbetriebene Fahrzeuge.
Warum will die reine Elektromobilität trotz ihrer Vorteile nicht recht in Schwung kommen? Als Gründe dafür nennen Autokäufer neben der eingeschränkten Fahrzeugauswahl und unzureichender Alltagstauglichkeit häufig auch die hohen Kosten für Elektromobilität. Aber ist das berechtigt? Dieser Frage ging das Beratungsunternehmen Progenium nach und analysierte die Kosten von Elektroautos über eine Haltedauer von vier Jahren und zog dabei einen direkten Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen.
Um die Vorbehalte der Kunden beim Kauf von Elektroautos besser zu verstehen, hat das Unternehmen 1000 Kunden in Deutschland befragt. Zusammenfassend analysiert Sebastian Hartmann, Manager bei Progenium: „Private als auch gewerbliche Kunden haben aktuell noch großen Respekt vor dem Thema Elektromobilität. Es herrscht eine ausgeprägte Ungewissheit hinsichtlich der verlässlichen Nutzung im Alltag, was schlussendlich die Anschaffung von den noch teuren Elektrofahrzeugen hemmt.“
Aktuell nennen Kunden demnach drei zentrale Gründe, die gegen die Anschaffung und die Nutzung eines Elektroautos sprechen:
Eingeschränktes Produktangebot
In der Wahrnehmung der Kunden sind aktuell zu wenige attraktive elektrische Fahrzeuge auf dem Markt verfügbar. Der aktuelle Fokus der Automobilhersteller liegt auf der Elektrifizierung von Miniwagen (z.B. Volkswagen e-up!, Smart fortwo electric), Kleinwagen (z.B. BMW i3, Renault ZOE) und Fahrzeugen der Kompaktklasse (z.B. Nissan LEAF, Opel Ampera-e). „Über 50 Prozent aller Zulassungen in Deutschland verteilen sich auf diese drei Fahrzeugsegmente. Die Automobilindustrie zielt damit im ersten Schritt schon auf die richtigen Kunden ab. Jedoch gilt es schnell das e-Produktportfolio zu erweitern um die Auswahl und Relevanz zu erhöhen und auch zusätzliche kaufkräftige Kundensegmente anzusprechen, wie Käufer von Oberklassefahrzeugen“, so Hartmann. Im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge (bis 3,5t zGG) liege der klare Fokus bislang nur auf kleinen Transportern (z.B. Renault Kangoo Z.E., Nissan e-NV200).
Unzureichende Rahmenbedingungen
Die Kunden befürchten insbesondere auch, dass sie Elektroautos im Alltag nicht zuverlässig nutzen können, da Ladesäulen noch nicht flächendeckend verfügbar sind und der Ladevorgang lange dauert. „Zudem sind die aktuellen realen Reichweiten der Fahrzeuge nicht ausreichend, um eine echte Alternative zum Benziner oder Diesel für die Kunden darzustellen“ so Hartmann. „Bei gewerblichen Kunden ist dieses Thema besonders kritisch. Ein nicht zuverlässig nutzbares Fahrzeug kann dazu führen, dass Kundentermine nicht realisiert werden und damit Umsatzeinbußen in Kauf genommen werden müssen.“
Hohe Kosten für Elektromobilität?
Als weiteren zentralen Grund gegen die Anschaffung sehen Kunden die zu hohen Kosten für Elektromobilität. Die verfügbaren Elektroautos sind zu teuer und auch die anfänglichen Investitionen, wie etwa die Installation einer Lademöglichkeit zu Hause (sofern möglich) oder am Unternehmensstandort, werden als Problem angesehen. „Es stimmt, aktuell sind elektrisch betriebene Fahrzeuge in der Anschaffung deutlich teurer als Benziner oder Dieselfahrzeuge“, so der Berater, „in einer differenzierten und ganzheitlichen Betrachtung zeigen sich über die Haltedauer jedoch auch Kostenvorteile von Elektroautos.“
Vergleicht und interpretiert man die Unterschiede der Gesamtkosten (Fixkosten, Werkstattkosten, Betriebskosten, Wertverlust) über eine Haltedauer von vier Jahren und einer jährlichen Kilometerleistung von 15.000 km, so relativiert sich die Wahrnehmung der Kunden.
Bei Miniwagen liegen die Kosten eines Elektroautos im Schnitt 17 Prozent (plus 3000 Euro) über den Gesamtkosten (Haltedauer vier Jahre, 15.000 km/Jahr) eines vergleichbaren Benziners, jedoch gerade mal ein Prozent (plus 200 Euro) über den Gesamtkosten eines Fahrzeugs mit Dieselantrieb.
Die Kosten für konventionell betriebene Kleinwagen (Benzin, Diesel) liegen im betrachteten Zeitraum und Laufleistung auf gleichem Niveau – hier ist der Unterschied zu den rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen spürbarer (plus 21 Prozent; etwa 4000 Euro mehr).
Der Unterschied zwischen den Verbrennern und dem Elektrofahrzeug ist in der Kompaktklasse wiederum weniger groß. Benzin- und dieselangetriebene Kompaktwagen und Kompaktvans liegen knapp sechs Prozent (bzw. 3000 Euro) unter den Gesamtkosten kompakter Elektrofahrzeuge.
Kostenvorteil bei Nutzfahrzeugen
Ein spannendes Ergebnis zeigt sich im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge. Die elektrischen kleinen Transporter haben sogar bereits einen Kostenvorteil gegenüber den Verbrennern. Im Vergleich zu den in Deutschland hauptsächlich verkauften Dieselfahrzeugen sind die kleinen E-Transporter über die gesamte Haltedauer rund 400 Euro günstiger. Bei einer höheren Laufleistung wäre dieser Effekt sogar noch ausgeprägter.
„Obwohl sich die kleinen E-Transporter rechnen, sind die Käufer noch zurückhaltend. Das liegt vor allem an den gewerblichen Kunden, die in diesem Segment stark vertreten sind. Unternehmen haben andere Nutzungsanforderungen und einen höheren Anspruch an eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der Fahrzeuge“ erklärt Hartmann.
Was sind die Kostentreiber der Elektroautos?
Der Haupttreiber der Gesamtkosten ist segment- und antriebsübergreifend der Wertverlust, so die Studie. Bei diesem Kostentreiber ist der Unterschied zwischen Benzin-/ Dieselfahrzeugen und Elektroautos auch am deutlichsten. Der Wertverlust liegt bei E-Fahrzeugen anteilig an den Gesamtkosten bei 65 Prozent und damit über dem Wertverlust der Benzin- (plus 15 Prozent-Punkte) und der Dieselfahrzeuge (plus 12 Prozent-Punkte).
„Die Technologie bei Elektrofahrzeugen – vor allem hinsichtlich der Batterietechnik – ist noch nicht voll ausgereift. Die Unsicherheit im Markt bezüglich der erzielbaren Preise für gebrauchte E-Fahrzeuge ist der Faktor, der den prognostizierten Wertverlust in die Höhe treibt“, sagt Hartmann.
Zudem zeige sich, dass die Betriebskosten einen verhältnismäßig deutlich geringeren Anteil bei Elektrofahrzeugen im Vergleich zu Verbrennern einnehmen (zehn Prozent-Punkte weniger zum Benziner / vier Prozent-Punkte weniger zum Diesel). Auch die Werkstatt- und Fixkosten sind geringer bei elektrischen Fahrzeugen, was primär aus der einfacheren Technik und dem aktuellen Wegfall der KFZ-Steuer resultiert.
Über die Weiterführung der staatlichen Subventionen und Vorgaben für Elektroautos, die angestrebte Erweiterung des E-Produktangebots der Hersteller und den flächendeckenden Ausbau von Ladeinfrastruktur werden die Akzeptanz und damit auch die Zulassungen in Deutschland steigen, lautet das Fazit der Studie. Denn zudem werden mittelfristig auch die Kosten für Elektroautos sinken und sich mit steigenden Absatzzahlen ein attraktiver Gebrauchtwagenmarkt entwickeln.
Was kosten Elektroautos wirklich? (Studie)